„Man kann auch ohne Erfolgsdruck sehr gut Fußball spielen“

Der SV Helios-Daglfing e.V. bietet seit 1919 Jugendfußball im Münchner Osten an und wird von Ehrenamtlichen getragen. Claudia Ziem und Valentin Zink sind seit September 2022 ehrenamtliche Trainer*innen. Sie trainieren zwei Mal die Woche zusammen die U10 des SVHD.

Ein Interview von Leonie Ziem (sai magazin)

Aus welcher Motivation heraus seid ihr Trainer*innen geworden?

 Valentin Zink: Ich bin bei Helios seit ich sechs Jahre alt bin. Ich habe da eigentlich mein ganzes Leben gespielt. Vor vier Jahren habe ich wegen einer Knieverletzung aufgehört. Nun studiere ich Lehramt und Fußball ist mein größtes Hobby – da war es naheliegend, Trainer zu werden.

Claudia Ziem:  Bei mir war es eigentlich aus der Not heraus geboren: Ich wollte das Team, in dem auch mein Sohn ist, weiter fördern und zusammenhalten. Damit die Kinder nicht auf verschiedene andere Teams und Vereine verteilt werden müssen. Der alte Trainer hat das Team spontan verlassen und da habe ich ein Probetraining gemacht. Es hat mir tatsächlich Spaß gemacht. Und als ich zunächst gefragt und dann auch gedrängt wurde (lacht), habe ich gedacht: Ich probier’s mal.

Was macht gute Trainer*innen aus?

Claudia Ziem: Es gibt ja Trainerinnen, die selber eine Fußballkarriere hinter sich haben, und die können, glaube ich, noch ganz andere Sachen leisten. Ich kann den Kindern z.B. nicht zeigen, wie man einen Flatterball schießt. Ich konzentriere mich darauf, dass sie sich als Team gut finden, die Trainingszeit auch wirklich für den Sport nutzen und im Fußball weiter fair miteinander umgehen. Ich glaube, dass die  Kinder hier in dem Schulsystem eh schon viel Erfolgsdruck ausgesetzt sind. Und man kann ja auch ohne Erfolgsdruck sehr gut Fußball spielen. Ich finde es wichtig, dass es ein Raum ist, der nicht benotet wird.

Valentin Zink: Ja, das wichtigste ist für mich, dass sie möglichst viel Spaß haben — aber auch eine gewisse Ernsthaftigkeit dabei ist.

Also steht im Vordergrund die Freude und nicht die sportlichen Erfolge?

Claudia Ziem: Beides! Ohne sportliche Erfolge finde ich es auch schade.

Valentin Zink: Wenn du ein Spiel gewinnst, dann macht es natürlich Spaß, du bist umso motivierter. Und andererseits, wenn du alle Spiele verlierst, dann zieht das ein bisschen runter. Man muss ein Gleichgewicht finden. In der Jugend gibt es auch keine Ligen, sondern nur Gruppen. Der Trainer schätzt sein Team ein und gibt an, ob man sich eher als schwach, mittel oder stark einordnet, aber es gibt keinen Aufstieg, keinen Abstieg.

Wie macht ihr das denn, dass ihr Einzelne fördert, aber gleichzeitig die Dynamik des Teams im Blick behaltet?

Claudia Ziem:  Wenn ich an letzte Stunde denke, da haben wir gesehen, dass eine Gruppe eine Übung direkt umsetzen konnte und die zweite Gruppe nicht, wo auch viele Jüngere dabei sind — und wo in der Aufnahmefähigkeit noch ein Schritt gemacht werden muss. Aber meine Idee ist, dass wir solche Übungen in der Trainingsphase anbieten und dann auch mal zulassen, wenn es nicht so gut läuft. Und es gibt natürlich, wie in jeder Schulklasse, Kinder, die unausgeglichener sind. Insgesamt orientieren wir uns jetzt nicht an den schwächsten, aber auch nicht immer nur an den stärksten Spielern, sondern haben für alle was dabei.

Claudia, du bist eine der ersten Trainerinnen des Vereins. Als Frau im Fußball muss man sich bestimmt einiges anhören. Wie begegnest du dem sexistischen Gegenwind?

Claudia Ziem: Es ist noch immer eher eine Männerdomäne. Vergleichbar, wie wenn man als Frau Maschinenbau studiert. Aber ich finde im Verein alle eher erstaunlich offen. Manche Männer sind vielleicht so ein bisschen überrascht, dass  eine Frau kommt, können damit nicht umgehen, das wirkt dann eher verwirrt als unfreundlich. Manchmal paart sich zur Neugier das nicht-ernst-genommen-werden. Aber ich glaube, da kann man eigentlich nur normal weitermachen, und dann zeigt sich ja, ob man es ernst nehmen kann oder nicht — und ich glaube, es läuft ganz gut.

Valentin, du trainierst ja auch Mädchenteams. Leider bekommt ja der Männerfußball immer noch sehr viel mehr Aufmerksamkeit als der Fußball der Frauen. Ist das unter den Mädchen auch ab und zu ein Thema?

Valentin Zink: Um ehrlich zu sein, habe ich davon eher weniger mitbekommen. Es ist auch so, dass die Mädchen selber die Trikots der männlichen Vorbilder anziehen. Einfach, weil Männerfußball so viel gezeigt wird. Vereinzelt haben wir aber auch welche dabei, die tatsächlich Trikots von ihrer Lieblingsspielerinnen anhaben.

Was lernt man denn bei euch im Fußballtraining fürs Leben?

Valentin Zink:  Das manche Sachen einfach mal so sind, wie sie sind. Ich kann nicht immer mit meinen drei besten Freunden in der Mannschaft spielen. Der Schiedsrichter entscheidet mal was falsch, man lernt damit umzugehen. Ich finde auch, dass die Kinder aufeinander schauen. Vielleicht sogar ein bisschen zu viel: Wenn einer mal kurz am Boden liegt, dann kommen gleich alle 20 angerannt. Zwei Spieler, die sind im September neu dazugekommen. Zwei beste Freunde — Und wenn einer nicht kam, hat der andere sich nicht getraut zu kommen. Das hat sich nach ein paar Wochen komplett erledigt und es ist schön, das so zu sehen.

Claudia Ziem: Sie lernen, dass sie als Team agieren müssen. Du hast stärkere und schwächere Spieler, aber wenn du einen Starken hast, der nie passt und  ganz alleine unterwegs ist, bist du trotzdem nicht erfolgreich. Gestern habe ich meinen Sohn, der gerne Stürmer spielt, danach gefragt: Wer war der beste Spieler? Da haben wir diskutiert, und ich habe dann gesagt: Ich fand den Torwart echt super, der hat so viel gehalten. Dann meinte mein Sohn: Oh ja, stimmt, hast du eigentlich Recht. Also beim Fußball lernt man einen Beitrag im Team zu sehen und schätzen. Ich höre von vielen Eltern zudem, dass das Fußballtraining einigen Kindern ganz viel Halt gibt. Sie sind eben Teil der Gruppe, egal, ob sie einen schlechten Tag oder einen guten Tag haben.